Manamana Björn Geipel
Die gibt’s alle wirklich
Text von Kalle von Karl zur Ausstellung Manamana des Künstlers Björn Geipel in der Galerie Kwade
Wie der Abdruck im Comic, wie das stehengelassene Spiel der Riesenkinder, wie das auf Pause gedrückte Computerspiel, wie der Irrtum der Erwachsenen, dass der Gegenstand nicht lebt. Geipel Geipel Geipel da da da,
hängen sie wieder und grinsen und bemerken uns gar nicht und fallen in eine Blitzstarre, als ob wir sie dann nicht sehen könnten und verstehen gar nicht, was eigentlich mit uns ist. Dideldideldie, da ist doch gar nix, klimper klimper plimplim. Da ist doch gar kein Loch.
Immer wieder entwirft er Bühnen. Er gibt dem Spieltrieb einen Ort, seinem Spieltrieb, dem Spieltrieb aller. Das Geschehen dort hebt sich nicht vom Publikum ab. Alle sind Teil des Spektakels, der Albernheit, der wunderbaren Sinnlosigkeit – alle spielen miteinander, gelebte Inklusion.
Manamana
Björn Geipel verarbeitet Stoffe aus Comic, Spiel, Film und Musik. Disney, Polanski, die Beatles, Jacques Tati und übergroße Legosteine zitierte er in vergangenen Ausstellungen. Kindheitserinnerungen und Jugendträume vermischen sich zu einer Wunderwelt, aus der immer wieder die Frage linst, warum denn plötzlich alle so ernst geworden sind, da, in der echten Welt. Seine Arbeiten plustern sich auf und machen deutlich: Ich bin hier. Sie sind wie Kinder, die nicht begreifen, dass die Erwachsenen längst aufgehört haben zu spielen. Geipel stellt sie über- oder mindestens lebensgroß in den Raum, wie in flüchtiger Erstarrung, ohne aber an ein Ende des Spiels auch nur zu denken. Natürlich geht es weiter. Absurd der Gedanke, dass es einen Grund zum Aufhören geben könnte.
Nothing‘s gonna change my world
Nothing‘s gonna change my world
Mal mich bunt
In seinen früheren Arbeiten lacht uns Bambis Klopfer von der Wand aus an, filigran aus Holz gesägt, nur die Konturen. Auf dem Boden stehen runde Podeste und die Aufforderung zum Spiel im Raum. Mal mich bunt, sagt ein Schild gegenüber.
Auch Bambi selbst taucht auf, als ob es den Betrachter zu einem zarten Pas de deux bittet. Eine andere hölzerne Bambiversion wartet in erwartungsvoll aufmerksamer Anspannung: Spiel mit mir.
In der Ecke steht Little Japansky aus der Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA von Lyonel Feininger gezeichneten Comicreihe The Kin-der-Kids. Mit übergroßem Hut und Schlüssel im Rücken scheint er, der einst die Kinder in einer Badewanne mit seinen platten Riesenfüßen aus der Welt der Großen in die große Welt paddelnd rettete, nur darauf zu warten, wieder aktiv zu werden: Zieh mich auf.
Ein Dinosaurier lauert in der Empfangshalle einer Schule auf die eintreffenden Schüler. Bereit, in sein Versteck zu eilen, stößt er sich dabei beinahe den Kopf an der 6-Meter-hohen Decke: Fang mich doch. Ein Jahr zuvor, 2002, war er schon durch die Hallen der von Karola Kraus und Christian Nagel kuratierten Show „Hossa, Deutsche Kunst der 2000er“ geliebtrampelt. Wie ein gutmütiger Elefant im Porzellanladen stampft das Styropormonster durch die Ausstellung, deren Besetzung sich wie eine gut bestückte Speisekarte der erfolgreichen Kunst der folgenden Jahre liest.
Im Kunstverein Braunschweig baut Geipel 2002 das Sea of Holes aus dem Animationsfilm Yellow Submarine der Beatles nach, Jazzmusiker begleiten die Zuschauer beim Klettern von oben nach unten und von unten nach oben. Aber es gibt kein oben und unten. Überall ist man gleich da.
Aber ganz schmal nur ist die Grenze zwischen Glück und Enttäuschung. Dieser Aufruf zum Spiel, das Verharren in der Pose, ist auch dieser Zwischenmoment, le petit Austritt-aus-dem-Paradies.
Unklar ist da, wer jetzt eigentlich nicht Teil des Spieles ist. Der Betrachter, oder das Betrachtete. Oder ist gerade das das Spiel?
Geipels Arbeiten können sich auch wie ein Angebot, dieser Frage nachzugehen, lesen lassen. Wie Hilfsmittel zur Barrierefreiheit zwischen den Realitäten, zwischen verinnerlichtem Traum und Wirklichkeit.
Immer wieder entwirft und baut er Bars für Kunstveranstaltungen. Oft vom Publikum unbemerkt haben sie eine implizit belebende Wirkung. Das Publikum spielt und merkt es nicht und Geipel steht mittendrin. Die Bars entfalten ihre ästhetische Wirkung im Miteinander mit den Betrachtern, den Spielern, den Trinkern, den Kindern, die eigentlich keine mehr sind. Leben und unbeschwerte Aufforderung zeichnen die eigentlich minimalistisch konstruierten und handwerklich ausgeklügelten Werke Geipels aus. Man nimmt Teil an seiner Kunst, es ist ganz einfach, es gibt keine künstlich entwickelte Distanz
Und überall sind Löcher, Löcher Löcher Löcher, Affordanzen zum Durchschlupfen, Manamana. Der Klang von tausenden Gitarren, die Beatles, Jimi, Buddy, Muddy, Kermit, John, Christoph Bambi, Klopfer, Little Japansky, die Muppets. Die gibt’s alle wirklich.
Björn Geipel studierte und arbeitete in Braunschweig unter anderem bei und mit Mara Matuschka Thomas Virnich, John Armleder, Walter Dahn und Christoph Schlingensief. Zurzeit ist sein Lebens- und Arbeitsmittelpunkt der Berliner Wedding
Samstag, Kwadrat, Stratocasterspiralplanetenuniversen. Schlupfen wir durch das Auge des Betrachters, hin und her, rot oder grün.
Seine Show „Manamana“ wird bis zum 03.06.2017 in der Galerie Kwadrat zu sehen sein.