Interview anlässlich von 24HappeningsInOneEel

„Ich glaube, dass der Mensch sich irgendwann in den Bildern frei bewegen kann“

Interview der Fotografin Sonja Lange mit Kalle von Karl anlässlich der Veranstaltung The Modern Door- 25 happenings in one eel im Oktober 2012 in Hannover. Fotos: Sonja Lange

Wie würdest Du die Kunst beschreiben, die Du machst? Ich bezeichne sie ja erstmal als Wunst, um sie nicht genau beschreiben zu müssen, auch um diesem schrecklichen Karl-Valentin-Zitat „Kunst kommt von Können...“ ein Schnippchen zu schlagen. Wahrhaftig denke ich , dass richtiges Wollen ein starkes Können auf einer vielleicht undefnierten Ebene ist und vorrausetzt. Also ein möglichst barriereloses Wollen. Das was ich mache ist immer eine Spur eines Prozesses, dieses Wollen zu suchen. Im Grunde muss das aber in die Hose gehen, weil ich nicht an die Uraufgabe eines Menschen, sondern eher an Näherungswerte glaube.

Was interessiert dich an Performances, warum machst Du sie? Auch hier wieder eine feste Zuschreibung, die ich nur deswegen vermeiden würde, weil es so schlimme Szenen überall gibt, die nicht mehr eingebettet sind. Das Wort alleine ist gut. Eigentlich glaube ich, dass der Big Brother in mir selbst steckt. Daher ist Performance das , was ich immer tue und wenn ich den Begrif verwende, werde ich mir darüber bewusst. Ich denke, dass es bei den anderen auch so ist. Im Grunde aber habe ich nie Performances als solche veranstaltet,
erst durch Nick Meeter und Yingmei Duan kam mir die Lust und auch die Tat, so etwas so anzukündigen.

Warum drehst Du Filme darüber? Das Filme drehen war zuerst da, dann habe ich gemerkt, dass ich es dazu ausnutze um Dinge zu erleben, die eine normale Situation nicht zulässt. Mich hat nicht eine Handlung, oder ein Anschlussproblem im Schnitt interessiert, auch nicht das Mareial, wie bei vielen Filmern die ich kenne, sondern eher das unmittelbare Erlebnis, dass ein Filmset mit sich bringt. In der weiteren Arbeit stehen dann aber auch schöne Bilder, wie der Versuch aus diesem Material etwas zu machen, dass für mich / erstmal nicht Sinn macht. Dass kann dann nervenzerreissend sein, da ich im Entstehungsprozess eben nicht den Fokus auf eine strikte Reihenfolge lege, sondern eher auf ein sich entwickeln einer Situation im Raum. Hier ist bestimmt Christoph Schlingensief, bei dem ich ein paar Jahre studierte und arbeitete mein Mentor. Man hatte beim dreh mit ihm, wie auch bei der theaterprobe das Gefühl, einmaliges zu erleben. Nichts war wiederholbar. Das, zur vorherigen Frage, interessiert mich an Performances. Die klare Unwiederholbarkeit.

Wie empfindest Du die Arbeit mit einer Gruppe von Künstlern/Laien? Ich bin ja selbst immer Künstler und Laie, weil ich mir mutwilig Dinge vornehme, die eigentlich (für mich) nicht machbar sind, trotzdem habe ich eine gewisse Erfahrung und „kann“ also. An erster Stelle steht wohl, das Gefühl abzubauen, den anderen etwas bieten zu wollen. Vielleicht passiert dann aber gar nichts und alle zerstreuen sich, die Laien denken vielleicht „was soll das denn jetzt hier?“ die Künstler wiederum, wenn man das so aufteilen kann/mag, übernehmen die Führung des Geschehens, ziehen es in ihre Richtung, ich könnte eigentlich den Raum verlassen. In diesem Moment muss ich mich dann fragen, warum ich hier bin und finde keine Antwort. Später dann weiss ich, dass ich auch einiges beigetragen habe, dass die Sache läuft, aber jetzt sehe ich , dass ich die Frage verfehle und gleich eine passendere kommt ...
also kurz: nur Künstler stehen sich ein wenig sehr mit ihren Egos im weg. Aber es ist das Urding des Künstlerseins dieses Ego zu behaupten (auch wenn der Versuch oft da ist, es verschwinden zu lassen)

Laien mischen das gut auf, auch durch ihre Unwissenheit, aber ich würde am Ende sagen, dass die Mischung nicht zwingend wichtig ist, oder doch..

Wie reagieren Außenstehende? Es gibt in diesem Fall nur Aussenstehende, die Situationen selbst lassen gar keine Assimilation zu. Teilnehmde Aussenstehende, also Teilnehmer, die ich gerade erst zu Drehbeginn kennen lernte, fühlen sich vielleicht verarscht. Glücklicherweise waren am Ende immer alle glücklich dabei gewesen zu sein und wollen wieder teilnehmen. So wächst die Gruppe, aber auch die Gefahr, dass wir uns darauf ausruhen, dass ja gar nichts passieren muss. Es gibt schon einen unterschied zwischen nichts passieren müssen und Handlungsunfähigkeit.

Gibt es beim Dreh Momente, die den Prozeß blockieren, gibt es Situationen, die schwierig sind? Für mich, ist immer das Problem beim Dreh, dass ich aus der Bildenden Kunst komme. Also eine Herangehensweise, bei der normalerweise das Bild und der Zusammenhang aus der möglichst unbewusst ausgeführten Tat besteht . Beim Film aber muss sehr viel geplant werden, auch bei der Performance , es muss ein Rahmen geschafen werden , Technik, Austattung etc. beim richtigen Film arbeiten daher sehr viele Leute daran. Und die bildnerische Herangehensweise geht aufgrund der vielen Faktoren föten. Wenn man sich aber auf das andere Terrain begibt, dem Filmemacher, dann fehlt der Generalplan der die Dinge am Laufen hält, den ich auch gar nicht herstellen will (kann) , so ist dann der schlimmst' blockierende Moment für mich über meine Unfähigkeit klar zu werden. (und am Ende liebe ich genau diese Momente)
Im Grunde ist es schwierig von einem blockieren eines Prozesses zu sprechen. Bei The Modern Door z.B haben wir ja die Zeit von 12-12 Uhr dieses Tages als Kunst gesetzt. Das heisst, es waren alle und alle drin, im Kunstwerk, die ganze Welt. So lässt sich gut handeln, oder auch nicht, aber der Wahnsinn der Normalwelt ist zu mindest für uns kurzzeitig aus den Fugen. Die Modernheit der Tür ist aber der Faktor, der das immer wieder zum stocken bringt. Der eigentliche Fortschritt verhindert den Durchschritt. Den Aus und Eintritt. Also die Anforderung durch Technik und Qualität. Der Fortschritt verhindert natürlich nicht wirklich etwas, es ist nur so wahnsinnig faszinierend sich mit der modernen Tür zu beschäftigen.

Was ist Dein Ziel, wen möchtest Du mit Deinen Filmen erreichen? Ich freue mich sehr, wenn Menschen sie sehen wollen und habe sie deswegen , wenn auch in verminderter Aufösung grösstenteils ins Internet gestellt.Ich mache Filmscreenings, in denen ich verschiedene Filme gegeneinander, manchmal auch übereinander lege. Dann Installationen bei denen oft mehrere Filme als Loop laufen und sich auch wieder zufällige sinnzusammenhänge ergeben. Mein Ziel ist

die Bilderflut weiter zu treiben, bis sich der Sinn des Bildes von selbst auflöst.
Im Gegensatz zu befreundeten Künstlern, die vielleicht denken mit einer Reduzierung der Bilder die Welt retten zu können, glaube ich dass der Mensch sich einfach irgendwann in ihnen frei bewegen kann. Hier sind die Begriffe Flut, Meer, Regen , Tsunami, dann aber auch surfen , schwimmen , treiben etc. , die im Zusammenhang mit Bildern und Information benutzt werden, interessant.
Meine Filme sollen im Grunde keine intendierte Information liefern, wenn überhaupt dann nur die , dass die Teilnehmenden lebten und wollten.
Beim Film an sich, interessiert mich eben das "inter esse", das dazwischen liegende , zwischen Normalwelt und Film, oder einfach zwischen Bild und Bild, oder vielleicht bei so etwas wie Youtube zwischen meinem Film und einem Vorschlag den das Programm anhand irgendwelcher Informationen macht. So funktioniert ja auch unser Hirn. Eine ewige Angleichung von Mustern, die abstruse Entwicklungen herbeiführen, wie zum Beispiel tolle Persönlichkeiten.
Ich glaube an Muster ist ein Satz den ich mal aus dem Zusammenhang gerissen hörte. Sonst hörte ich nichts von dem Text. Nur der Satz blieb hängen. Er passte in eines meiner Muster.

Verfolgen Deine Filme eine bestimmte Aussage? Oh, schon wieder ein wenig vorgegrifen. Eigentlich müsste ich sagen nein. Aber natürlich doch. Ich schafe es nicht und ich glaube, dass ich es (technisch) könnte. Einen in sich geschlossenen. „schönen„ Film zu machen. Es wurde mir schon vorgeworfen, dass ich schöne Bilder wieder zerstöre. Ich glaube ich möchte gerne auf die festgefahrenen Seh-Denk-Fühlmuster aufmerksam machen. Dabei soll das aber nicht eine pädagogische Intention sein. Eher ein Bedürfnis.

Wie bist Du darauf gekommen Performances zu veranstalten und darüber einen Film zu machen? Habe ich im Grunde schon beantwortet. Erst kam der Film, der fühlte sich wie Performance an, dann das umdrehen. Ganz wichtig aber die Zusammenarbeit mit Christoph Schlingensief , bei dem es keine zwei gleichen Proben oder Stücke gab und einem seiner vielen Mantras „wenn sie glauben sie haben die Kontrolle, dann fahren sie noch nicht schnell genug“ . Ein toller Satz, weil er im Grunde völlig inhaltsleer ist. Warum sollte man denn schnell fahren. Nur um die Kontrolle zu verlieren ?

Später dann John Armleders Team 404, dass es auch noch gibt und bei dem ich Nick Meeter kennen lernte.
Einen Film darüber machen, bedeutet einerseits die Konzentration zu erhöhen und erst einmal ohne Publikum agieren zu können. Das heisst mobiler zu sein, da stecken dann mehr Möglichkeiten drin, es ist wie ein Kern eines Universums, im Grunde hoffe ich nicht der Kern zu sein, sondern die Filme und aussen rum sprenkelt es Samen. Dann interessiert mich die Herausforderung aus dem Bilderhaufen etwas neues zu machen. Am Ende dann und dass ist sehr wichtig, sind diese Filme sehr gut um mögliche Sponsoren von der Idee zu überzeugen und die Sache weiter zu treiben.

Gibt es im Vorfeld ein Konzept / einen Plan über den Ablauf des Films? Es gibt immer einen Grundplan, es gibt auch eine sehr lange intensive Beschäftigung mit bestimmten Musterthemen, auf denen man einen solchen Film betten kann. Trotzdem würde ich sagen, dass der Film im Dauerentstehen ist.

Im Grunde, macht das mehr Arbeit und ...